Positionspapier »Freiwilligendienste jetzt!«

Der Bundesarbeitskreis FSJ und die verbandlichen Zentralstellen der Freiwilligendienste fordern in ihrem gemeinsamen Positionspapier »Freiwilligendienste jetzt!« zur Bundestagswahl 2025:

Bessere Förderung und Anerkennung von Freiwilligendiensten

Zentrale Forderung ist die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst. Das heißt für jede Freiwilligendienst-Vereinbarung wird ausreichend finanzielle Unterstützung gesetzlich gesichert. Diese Garantie soll die Teilnahme an einem Freiwilligendienst für alle Menschen unabhängig ihrer Voraussetzungen ermöglichen und eine Dienstpflicht überflüssig machen.

Bildungszeit und gesellschaftliches Engagement stärken
Die Initiative hebt hervor, wie wichtig Freiwilligendienste als Bildungsjahr sind. Diese Dienste helfen dabei, die persönliche Entwicklung zu fördern. Zudem stärken sie demokratische Werte und das gesellschaftliche Engagement. Freiwillige übernehmen Verantwortung für sich selbst und für andere. Ihr Engagement fördert den Zusammenhalt und die aktive Teilnahme an demokratischen Prozessen.
Zugang für alle

Die Teilnahme soll für alle zugänglich sein. Dafür müssen finanzielle Barrieren abgebaut werden. Ein unzureichendes Taschengeld ist eine solche Barriere. Hohe Mobilitätskosten stellen ebenfalls ein Hindernis dar. Auch der fehlende Zugang zu Wohngeld ist problematisch. Die Initiative fordert ein Taschengeld, das sich am BAföG-Höchstsatz orientiert. Zudem wird die kostenlose Nutzung von Nah- und Fernverkehr gefordert. Diese Maßnahmen sind essenziell für die Zugänglichkeit der Freiwilligendienste.

Mehr unter https://bak-fsj.de/wp-content/uploads/2024/11/Freiwilligendienste_Bundestagswahlpapier_2024.pdf


Eine kreative und soziale Lernzeit

Nadiia Berchuk hat ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) im Hort der Grundschule „Franz Mehring“ in Bernburg absolviert und parallel dazu einen Sprachkurs besucht. Ein inspirierendes Beispiel für eine intensive und praktische Lernzeit.

Nadiia ist eine gelernte Pädagogin aus der Ukraine. In dem kleinen Ort Panka bei Tscherniwzi hat sie Kinder von der 5. bis zur 10. Klasse in Ukrainisch und Literatur unterrichtet. Seit ein paar Jahren lebt sie in der Nähe von Bernburg, wo sie durch eine deutsch-ukrainische Bekannte vom Freiwilligendienst erfuhr. In einer Messenger-Gruppe wurde die Ausschreibung vom Hort geteilt. “Ich hatte gerade meinen B1-Deutschkurs beendet und suchte eine sinnvolle Möglichkeit, um meine freie Zeit bis zum Beginn des B2-Kurses zu nutzen. Da hat die BFD-Stelle beim Hort sehr gut gepasst,” erinnert sich Nadiia.

Im Hort arbeitet Nadiia eng mit Kindern und Erwachsenen zusammen, was ihre Deutschkenntnisse verbesserte. „Es war eine sehr gute Erfahrung, mit Kolleginnen im Team zu arbeiten, um gemeinsam etwas zu leisten,“ erzählt Nadiia. Das Konzept des Horts war für sie neu, da es in der Ukraine keine vergleichbare Struktur gibt. „Es war interessant für mich, die Strukturen kennenzulernen und zu sehen, wie die Arbeit hier funktioniert.“

Den Hort Franz Mehring besuchen mehrere ukrainische Kinder, für die Nadiia eine zusätzliche Ansprechperson ist. Sie kann bei der Verständigung zwischen Kindern, Erzieherinnen und Eltern, insbesondere bei Fragen und Anträgen, helfen. „Wobei die meisten Kinder besser Deutsch sprechen als ich,” verrät Nadiia mit einem Schmunzeln. Am meisten Freude hat es ihr gemacht, die pädagogische Arbeit zu unterstützen. Sie schwärmt von den kreativen Aktivitäten mit den Kindern, wie dem gemeinsamen Kuchenbacken oder den Besuchen im Seniorenheim, wo sie UNO spielten. Diese Aktivitäten stärkten nicht nur die Bindung zwischen den Kindern, sondern auch zwischen den Generationen.

Während ihres BFD nutzte Nadiia die Gelegenheit, intensiv Deutsch zu lernen und ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Ihre Einsatzzeit wurde flexibel an den B2-Deutschkurs angepasst, was ihr half, ihre Ziele zu erreichen. Nadiia empfiehlt den BFD uneingeschränkt, um praktische Erfahrungen in der sozialen Arbeit zu sammeln und die deutsche Sprache zu meistern.

 

Test: Kristin Wicklein
Foto: Marcus- Andreas Mohr

 


Eine Geschichte von Mut, Lernen und Engagement

Ranim Haj Youssef, eine junge und engagierte Freiwilligendienstleistende, ist seit Dezember 2023 im Hort der Grundschule „Franz Mehring“ in Bernburg im Einsatz. Mit einem reichen kulturellen Hintergrund und viel Begeisterung für die Arbeit mit Kindern, hat Ranim sich schnell in ihre neue Rolle eingefunden.

Ursprünglich aus Syrien stammend, lebte Ranim viele Jahre in der Türkei, wo sie ihren Schulabschluss der 11. Klasse erlangte. Vor drei Jahren zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie sich nun aktiv in ihrer neuen Heimat einbringt. „Als Kind fand ich es leicht, eine neue Sprache zu lernen,“ erinnert sich Ranim, „jetzt nochmal Deutsch zu lernen, ist schon schwieriger“.

Ranim spricht Arabisch, Türkisch und Deutsch und ist stets bereit, bei Übersetzungen zu helfen. Ihre Erfahrung im Hort hat gezeigt, dass Mut und Beständigkeit belohnt werden. „Am Anfang war es schwer, die Kinder zu verstehen,“ erinnert sie sich. „Doch meine Kollegen und auch die Kinder selbst haben mir geholfen. Zudem habe ich jeden Tag zu Hause Deutsch-Hörbücher gehört. Nach drei Monaten wurde es deutlich besser.“ Zudem besucht Ranim parallel zu ihrem BFD auch einen Integrationskurs und spricht bereits jetzt ein fließendes Deutsch.

Während ihres BFD hat Ranim die Gelegenheit, an zahlreichen Seminaren teilzunehmen, die von der Stadt Bernburg für Bundesfreiwillige organisiert werden. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr die Exkursion nach Berlin. „Der Bundestag ist groß. Dort zu stehen war beeindruckend.“

Der BFD war für Ranim eine wichtige Erfahrung, um in Kontakt mit Deutschen zu kommen, das Berufsleben kennenzulernen und die bestehenden Regeln zu verstehen. Diese Erfahrungen halfen ihr, festzustellen, dass ihre Leidenschaft in der Arbeit mit Kindern liegt: „Mit Kindern aktiv zu sein macht mich glücklich.“ Ihre langfristigen Ziele umfassen eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester oder Erzieherin, die sie beginnen möchte, sobald sie den B1-Sprachkurs abgeschlossen hat.

Ranims Engagement und ihre Lernbereitschaft sind ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie der Bundesfreiwilligendienst als persönliche Lernzeit und für die eigene berufliche Entwicklung genutzt werden kann.

 

Test: Kristin Wicklein
Foto: Marcus- Andreas Mohr

 


Erfolgreiche Integration durch Freiwilligendienste in Bernburg

Die Stadt Bernburg zeigt beispielhaft, wie Freiwilligendienste zur erfolgreichen Integration von Menschen mit Migrationserfahrung beitragen können. Seit 2011 ist die Stadt Träger für den Bundesfreiwilligendienst (BFD) und bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten in sozialen Einrichtungen für Freiwillige, von Kindertagesstätten über Schulen bis hin zur Obdachlosenhilfe.

Eine Vision wird Realität

Im Zentrum dieser Erfolgsgeschichte steht Johanna Müller vom Personalamt, die den BFD seit Jahren koordiniert. „Als vom Bund das Programm „BFD mit Flüchtlingsbezug“ eingeführt wurde, waren es zu Beginn noch vor allem Deutsche, die sich für die Hilfe von Geflüchteten engagierten,“ erinnert sich Johanna Müller. „Mit der Zeit wurden dann die Geflüchteten selbst zu Freiwilligen.“ Diese Entwicklung erwies sich als Gewinn für alle Beteiligten, insbesondere in pädagogischen Einrichtungen, wo die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der Freiwilligen mit Migrationshintergrund hoch geschätzt werden. „Sie ermöglichen einen viel besseren Zugang zu Kindern und Eltern mit Migrationsgeschichte“, erklärt Johanna Müller.

Herausforderungen und Anpassungen

Als 2018 das Sonderprogramm „BFD mit Flüchtlingsbezug“ auslief und damit auch das sogenannte „Entsendungsprinzip“, hatte dies spürbare Auswirkungen. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür ist das „Coffee to stay“, eine wichtige Anlaufstelle und Begegnungsstätte für Geflüchtete in Bernburg. In dieser aus einer Freiwilligen-Initiative entstandenen Einrichtung konnten nach dem Wegfall des Entsendungsprinzips keine Bundesfreiwilligen mehr beschäftigt werden.

Trotz dieser Herausforderungen zeichnet sich Bernburg durch seine Anpassungsfähigkeit aus. Die kurzzeitige Wiedereinführung des Entsendungsprinzips während der Ukrainehilfe ermöglichte es, Freiwillige flexibel dort einzusetzen, wo sie am dringendsten gebraucht wurden – beispielsweise bei der Spendenverteilung und in der Sprachmittlung.

Eine Kultur des Willkommens

Der Erfolg des Programms in Bernburg basiert auf einer klaren Haltung der Stadt. „Die Stadtverwaltung ermöglicht es, dass die Werte des Willkommens aktiv gelebt werden können,“ betont Johanna Müller. Diese Offenheit spiegelt sich in den Einsatzstellen wider, die sich die Zeit nehmen, den Freiwilligen alles zu erklären und die von deren Motivation und Erfahrung profitieren.

Innovative Ansätze

Besonders hervorzuheben ist die Flexibilität bei den Zeitmodellen. Die Möglichkeit, zwischen Voll- und Teilzeit zu wechseln, erlaubt es den Freiwilligen, ihren Dienst mit Sprachkursen zu kombinieren. „Den Deutschlernprozess zu fördern ist in unserem Interesse,“ unterstreicht Johanna Müller.

Das Beispiel Bernburg zeigt eindrucksvoll, wie der Bundesfreiwilligendienst als Instrument der Integration und des gesellschaftlichen Zusammenhalts wirken kann. Mit Offenheit, Flexibilität und einem klaren Bekenntnis zur Vielfalt schafft die Stadt einen Raum, in dem Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen gemeinsam wachsen und voneinander lernen können.

 

Text: Kristin Wicklein

Foto: Marcus-Andreas Mohr


Brückenbauerin zwischen Kulturen im Freiwilligendienst

Die 19-jährige Evelyn Ramirez verkörpert wahre Weltoffenheit. Mit Wurzeln in Kolumbien und Mexiko bringt sie eine einzigartige Perspektive in ihren Freiwilligendienst an der Theologischen Hochschule Friedensau ein. „Ich bin aus beiden Ländern“, erklärt sie stolz.

Ein Ort der Vielfalt: Der Kinderbauernhof auf dem Gut Stichelsdorf

Der Kinderbauernhof auf dem Gut Stichelsdorf bei Halle ist seit 2010 eine Einsatzstelle für den Bundesfreiwilligendienst. Hier erleben Kinder mit und ohne Behinderung einen natürlichen Freiraum, in dem sie Schafe hüten, basteln, toben und frisches Gemüse ernten können. Zwei Bundesfreiwillige unterstützen jährlich die naturpädagogischen Angebote und tragen zur besonderen Atmosphäre des Ortes bei. Weiterlesen…


Ein neuer Anfang durch den Bundesfreiwilligendienst

Ibrahim Elkhamarys Lebensweg führte ihn von Ägypten nach Deutschland, wo er als Bundesfreiwilliger im einewelthaus der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. in der Haustechnik tätig ist. Seine Geschichte ist geprägt von Resilienz und der Suche nach neuen Möglichkeiten. Weiterlesen…


05.11. Workshop „Gemeinsam stark – Werte in der Zusammenarbeit“

In der Zusammenarbeit im Team von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen ist die Vielfalt von Ansichten, Interessen und Persönlichkeiten oft Ressource und Herausforderung zugleich. Nicht immer herrscht Einigkeit über das Was und Wie der Vereinsaktivitäten und wie Entscheidungen getroffen werden.
In so einem Fall ist die Verständigung über gemeinsame Werte sehr hilfreich, um auch über Unterschiede hinweg die gemeinsamen Ziele in den Blick zu nehmen und die vielfältigen Perspektiven und Kompetenzen gewinnbringend zusammenzuführen. Welche Werte und Regeln sind für uns als Organisation wichtig? Wie können wir sie vermitteln? Was tun bei Differenzen?

Dienstag, 5. November 2024 von 9.00 – 11.00 Uhr via Zoom
Impuls und Moderation: Nicole Marcus, Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V.

Hier geht es zur Anmeldung: https://www.freiwilligenagentur-halle.de/events/gemeinsam-stark

Der Workshop ist als kurze und effektive Vormittags-Einheiten konzipiert und startet mit einem inhaltlichen Impuls. Dabei tauschen sich die Teilnehmenden über ihre Erfahrungen in der Praxis aus, beraten und vernetzen sich und erhalten so neue Anregungen für ihren Arbeitsalltag.

Die Veranstaltung richtet sich an Einsatzstellen für den Freiwilligendienst und Vereine oder Gruppen in Sachsen-Anhalt, die mit vielfältigen Freiwilligen zusammenarbeiten oder dies planen.

 


Ein Neuanfang mit Herz und Engagement

Oksana Lesnikova ist eine beeindruckende Frau, die trotz schwieriger Umstände Stärke und Optimismus ausstrahlt. Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine floh sie mit ihrer Familie und ihren Eltern aus Charkiw, wo sie eine vielversprechende Karriere hatte. Anstatt zu verzweifeln, entschied sich die Familie, sich in Deutschland zu integrieren.

Eine inspirierende Reise vom Freiwilligendienst zur Projektleitung

Irem Baksi, eine junge Frau aus Istanbul, hat durch ihren Freiwilligendienst in Deutschland nicht nur eine neue Sprache erlernt, sondern auch ihre berufliche Leidenschaft entdeckt. Nach ihrem Journalismus-Studium in der Türkei führte sie ihr Weg über ein Europäisches Freiwilligenjahr im Rahmen des Erasmus-Programms nach Deutschland.

Obwohl Deutschland anfangs nicht ihr „Traumland“ war, änderte sich dies schnell, als Irem eine Stelle beim Offenen Kanal Magdeburg fand. Trotz anfänglicher Sprachbarrieren bewarb sie sich erfolgreich und gewann „das Wichtigste: ein Traumteam“. Diese positive Erfahrung motivierte sie, sich nach dem Erasmus-Programm für einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) zu entscheiden.

Der BFD stellte Irem vor neue Herausforderungen. Sie arbeitete Vollzeit und besuchte gleichzeitig abends Sprachkurse. Doch die Mühe lohnte sich: Sie lernte Menschen aus verschiedenen Ländern kennen und erlebte kulturelle Vielfalt. „Die BFD-Zeit war super intensiv und superwichtig für mich,“ reflektiert Irem. „Ich konnte mein Deutsch und meine beruflichen Fähigkeiten verbessern.“

Nach ihrer Zeit im Freiwilligendienst wurde Irem vom Offenen Kanal Magdeburg als Projektleiterin eingestellt. „Ich bin jetzt sehr glücklich. Der OK ist mein erstes Kind,“ sagt Irem stolz über ihre neue Position.

Trotz ihres beruflichen Erfolgs hat Irem noch weitere Ziele. Als Nächstes möchte sie ihr Master-Programm abschließen. Ihre Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie Freiwilligendienste jungen Menschen die Möglichkeit bieten, über sich hinauszuwachsen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

 

Interview: Rimma Fil
Foto: Marcus-Andreas Mohr